Wegzugsbesteuerung bei Schenkung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

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Eine sogenannte Wegzugsbesteuerung wird nach § 6 AStG typischerweise ausgelöst, wenn eine natürliche Person aus dem Inland wegzieht und aus steuerlicher Sicht dadurch ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufgibt. War diese Person wesentlich an einer Kapitalgesellschaft i. S d. § 17 EStG beteiligt und für eine bestimmte Dauer im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, kann ihr Wegzug diese Wegzugsbesteuerung auslösen. Sie führt dazu, dass die Anteile an der Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 EStG allein aufgrund des Wegzugs des Anteilseigners als veräußert gelten und die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt und besteuert werden. Hintergrund dafür ist, dass Deutschland aufgrund des Wegzugs des Anteilseigners in der Regel das Besteuerungsrecht an diesen stillen Reserven verliert.

Auch Schenkungen ins Ausland können Wegzugsbesteuerung auslösen

Eine entsprechende Besteuerung kann auch durch eine unentgeltliche Übertragung der Anteile im Wege einer Schenkung oder einer Vermögensübertragung durch Erwerb von Todes wegen ausgelöst werden; also, wenn der bisherige Anteilseigner nicht selbst aus Deutschland wegzieht, sondern die Anteile unentgeltlich auf eine Person überträgt, die im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Auch dadurch verliert Deutschland in der Regel das Besteuerungsrecht an den Anteilen i. S. d. § 17 EStG.

Sonderfall: Schenkung ins Ausland bei uneingeschränktem deutschen Besteuerungsrecht

Der Bundesfinanzhof (BFH) musste nun entscheiden, ob es zu einer Wegzugsbesteuerung im Falle einer unentgeltlichen Übertragung auch dann kommt, wenn Deutschland das Besteuerungsrecht an den Anteilen trotz unentgeltlicher Übertragung der Anteile auf eine nicht im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person ausnahmsweise nicht verliert (z. B. aufgrund der sogenannten Immobilienklausel in Art. 13 Abs. 1 OECD-MA). Dies verneinte der BFH. Mit seinem Urteil vom 8. Dezember 2021 (Az. I R 30/19) hat er entschieden, dass der Ausschluss oder die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a.F. ist. Damit bleibt eine Wegzugsbesteuerung auch dann bestehen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.

Praxis-Tipp: Wegzugsbesteuerung vor Schenkung bedenken

In der Praxis ist die Wegzugsbesteuerung damit stets auch in diesen Ausnahmefällen zu beachten. Denn eine Wegzugsbesteuerung kann nicht nur bei Wegzug des Anteilseigners ausgelöst werden. Sie kann auch bei „Wegzug der Anteile an der Kapitalgesellschaft" im Zuge einer Schenkung oder durch einen Erwerb von Todes wegen fällig werden. Das gilt selbst dann, wenn das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Voraussetzung ist, dass die Anteile auf eine Person (Beschenkter/Vermächtnisnehmer/Erbe) unentgeltlich übertragen werden, die - anders als der Schenker/Erblasser - im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Diese Steuerfolgen einer unentgeltlichen Übertragung sollten über die schenkungsteuerlichen bzw. erbschaftsteuerlichen Folgen hinaus bedacht und ggf. durch entsprechende Maßnahmen verhindert werden.

Gemeinsam verfasst mit Frank Niesmann.

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