Fristlose Kündigung wegen Vorlage eines gefälschten Impfausweises

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Legen Mitarbeitende, um ihre Nachweispflicht nach dem Infektionsschutzgesetz gegenüber Arbeitgeber*innen zu erfüllen, mit Täuschungsabsicht einen gefälschten Impfausweis vor, ist eine außerordentliche und fristlose Kündigung gerechtfertigt. Das geht aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf hervor (Urteil vom 18. Februar 2022 - 11 Ca 5388/21). Eine vorherige Abmahnung sei in einem solchen Fall entbehrlich.

Der Sachverhalt

Der Kläger war als Küchenfachberater bei der Beklagten beschäftigt und führte in einer Filiale der Beklagten insbesondere Verkaufsgespräche mit Kunden vor Ort. Der Kläger hatte gegenüber der Beklagten wiederholt erklärt, dass er sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen wolle.

Durch eine – zwischenzeitlich ausgelaufene – Änderung des Infektionsschutzgesetzes wurden für Arbeitnehmer*innen ab dem 24. November 2021 Nachweispflichten vor Betreten der Arbeitsstätte begründet (sog. 3G-Regelung; dazu unser Beitrag). Aufgrund dessen durften auch bei der Beklagten nur geimpfte, genesene oder getestete Personen den Betrieb betreten, wenn diese physischen Kontakt zu Dritten hatten. Am 23. November 2021 legte der Kläger der Beklagten eine Kopie seines Impfausweises vor, nach dem er über einen seinerzeit vollständigen Impfschutz mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech) verfügen sollte. Bei einer genaueren Prüfung ergab sich der Verdacht, dass der Impfausweis des Klägers gefälscht sein könnte, da die beim Kläger eingetragenen Impfstoffchargen – mit Ausnahme der Impfdaten – identisch im Impfausweis eines weiteren Mitarbeiters der Beklagten eingetragen waren. Im Rahmen einer Anhörung behauptete der Kläger, der Impfausweis sei nicht gefälscht und gab nun an, mit dem Impfstoff von Moderna geimpft zu sein. Bei dem Impfausweis des Klägers handelte es sich tatsächlich, was der Kläger später einräumte hatte, um eine Fälschung. Der Kläger war nicht geimpft.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich fristlos. Hiergegen wendete sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage. Er war der Meinung, dass vor der Kündigung eine Abmahnung hätte erfolgen müssen. Er berief sich darauf, dass die Vorlage der Kopie des gefälschten Impfausweises nicht strafbar gewesen sei. Zu berücksichtigen sei zudem der langjährige störungsfreie Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage mit deutlichen Worten abgewiesen. Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht, über seinen Impfstatus zu täuschen und die Erfüllung der Nachweispflicht aus § 28b Abs. 1 IfSG zu umgehen, sei „an sich" geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Auch wenn die Handlungsweise des Klägers (d. h. das Fälschen eines Impfausweises bzw. dessen Verwendung) zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafbewehrt gewesen sei, liege gleichwohl eine schwerwiegende Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe durch die Vorlage eines gefälschten Impfausweises gegen seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verstoßen.

Die Verwendung von gefälschten Impfausweisen könne angesichts der Pandemielage erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter mit sich bringen. Die Beklagte habe nur solche Mitarbeitenden beschäftigen wollen, die keine Gefahr für andere darstellen, um auf diese Weise so weit wie möglich zu vermeiden, dass sich ihre Mitarbeitenden im Betrieb mit dem COVID-19-Virus anstecken. Anderenfalls könnten Störungen im Betriebsablauf, Arbeits- und Produktionsausfälle durch Quarantäneanordnungen sowie Entgeltfortzahlungen wegen Erkrankungen an COVID-19 drohen. Im letzteren Fall bestehe zudem das Risiko einer Haftung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Im Rahmen der Fürsorgepflicht nach § 618 Abs. 1 BGB habe die Beklagte nämlich die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer*innen bei der Arbeit zu gewährleisten. Insoweit müssten Arbeitgeber*innen nach § 28b Abs. 3 S. 1 IfSG die Einhaltung der Nachweispflichten jedes Beschäftigten täglich überwachen und das Ergebnis regelmäßig dokumentieren. Nicht nur der Schutz der Mitarbeitenden und Kund*innen vor dem hohen Infektionsrisiko mit ggf. schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen spreche für ein berechtigtes Interesse der Beklagten, sondern auch das bei Verstößen drohende Bußgeld gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 11d IfSG.

Der Einwand des Klägers, von ihm sei zu keinem Zeitpunkt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko ausgegangen, da aus der Vorlage des gefälschten Impfausweises nicht geschlossen werden könne, er ließe sich nicht testen, verfange nicht. Der Umstand, dass er einen Tag vor Inkrafttreten der 3G-Regelung am Arbeitsplatz einen gefälschten Impfausweis vorgelegt habe, lasse wegen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs keinen anderen Rückschluss zu, als dass der Kläger in der Absicht gehandelt habe, ohne weitere (tägliche) Testung Zutritt zur Arbeitsstätte zu erhalten. Daraus folge, dass der Kläger bereit gewesen sei, alle anderen Mitarbeitenden und Kund*innen, mit denen er in Kontakt gekommen wäre, vorsätzlich in ihrer Gesundheit zu gefährden.

Eine Abmahnung sei nach den Umständen des Einzelfalls entbehrlich. Die Pflichtverletzung sei für den Kläger ohne Weiteres erkennbar gewesen. Das hohe Infektionsrisiko mit ggf. schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen sei angesichts der nunmehr fast zwei Jahre andauernden Pandemielage jedermann bekannt. Durch die mediale Berichterstattung seien auch der betriebliche Infektionsschutz und die Einführung der 3G-Regelung am Arbeitsplatz in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt, weshalb sich der Kläger nicht darauf berufen könne, er habe keine Kenntnis von der Einführung der 3G-Regelung im Betrieb der Beklagten gehabt. Insofern handele es sich um eine klare Rechtslage. Auch wenn sich der Kläger auf eine Straffreiheit berufe, sei ihm durchaus bewusst gewesen, dass sein Verhalten rechtswidrig gewesen sei. Indem er eine Kopie eines gefälschten Impfausweises verwendete, um über seinen Impfstatus zu täuschen und auf diese Weise die Nachweispflicht aus § 28b Abs. 1 S. 1 IfSG zu umgehen, habe er ein hohes Maß an krimineller Energie an den Tag gelegt, welches das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört habe. Der Kläger habe durch sein berechnendes und rücksichtsloses Verhalten die Gesundheit der anderen Mitarbeitenden sowie der Kund*innen gefährdet. Insoweit komme es hier wegen der Schwere der Pflichtverletzung weder auf eine Wiederholungsgefahr noch auf den langjährigen störungsfreien Bestand des Arbeitsverhältnisses an.

Praxishinweise

Angesichts des Auslaufens der 3G-Regelung am Arbeitsplatz werden derartige Fälle in Zukunft nicht mehr relevant sein. Im Bereich der Gesundheitsversorgung gilt jedoch seit Mitte März 2022 die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte, auch hier sind schon Täuschungsversuche bekannt geworden.

Konsequente Reaktionen auf Täuschungs- bzw. Umgehungsversuche bis hin zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses werden von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich unterstützt, die insoweit unter Verweis auf erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter eher keinen Spaß versteht (ebenfalls zur Kündigung wegen Vorlage eines gefälschten Impfausweises: ArbG Köln vom 23. Mäz 2022 - 18 Ca 6830/21; zur Kündigung nach Verweigerung der Durchführung angeordneter Corona-Schnelltests: ArbG Hamburg vom 24. November 2021 - 27 Ca 208/21; zur Kündigung wegen Nichttragens eines Mund-Nasen-Schutzes: ArbG Köln vom 17. Juni 2021 - 12 Ca 450/21; ArbG Cottbus vom 17.Juni 2021 - 11 Ca 10390/20; zur Kündigung wegen Vorlage eines Online-Testzertifikats mit unzutreffenden Angaben zur Testdurchführung: ArbG Hamburg vom 31. März 2022 - 4 Ca 323/21; zur Kündigung wegen Vorlage einer ohne medizinische Untersuchung erlangten Online-Impfunfähigkeitsbescheinigung: ArbG Lübeck vom 14. April 2022 - 5 Ca 189/22).

Sprechen Sie uns bei weiteren Fragen zu diesen Themen gern an.

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