Degressive Abschreibung und Sofortabschreibung sog. digitaler Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz

Welche Auswirkungen haben steuerliche Änderungen auf das Handelsrecht?

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Im Zuge der Digitalisierung und der anhaltenden Corona-Pandemie hat der Steuergesetzgeber die Abschreibungsregeln für Wirtschaftsgüter angepasst.

So wurde durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Abnutzung (kurz AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2022 angeschafft oder hergestellt wurden, beschlossen. Außerdem hat das Bundesministerium für Finanzen entschieden, die Abschreibungsdauer von digitalen Wirtschafsgütern (Computerhardware- und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung) auf ein Jahr zu verkürzen.

Für beide Anpassungen stellt sich die Frage, ob die steuerlich erlaubten Abschreibungsmethoden ohne weiteres in die handelsrechtliche Rechnungslegung übernommen werden dürfen.

Durch die Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz im Jahr 2009, dürfen steuerliche Wertansätze nicht mehr ohne weiteres in die Handelsbilanz übernommen werden. Die Zulässigkeit der steuerlichen Wertansätze ist vielmehr nach den allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Voraussetzung für die Anwendung verkürzter Nutzungsdauern auf digitale Wirtschaftsgüter und der degressiven Abschreibungsmethode nach Handelsrecht ist, dass die Abschreibung den tatsächlichen Werteverlust des Vermögensgegenstands sachgerecht darstellt und der Werteverzehr dem tatsächlichen Abnutzungsverlauf entspricht. Eine Anwendung der degressiven AfA und der verkürzten Nutzungsdauer ist handelsrechtlich daher nur möglich, wenn diese den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen – steuerliche Bestimmungen alleine sind daher keine ausreichende Grundlage.

Ferner ist der Grundsatz der sachlichen Bewertungsstetigkeit zu beachten. Dieser besagt, dass eine einmal gewählte Abschreibungsmethode beibehalten werden muss und eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nur gerechtfertigt ist, wenn durch den Wechsel der Abschreibungsmethode ein besseres Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss vermittelt wird. Dies wird nur im Ausnahmefall tatsächlich zutreffend sein. Zusätzlich müssen Vermögensgegenstände die nach dem Zeitpunkt des Auslaufens der steuerlichen Möglichkeiten der degressiven Abschreibung angeschafft werden, steuerlich wieder linear abgeschrieben werden. Ein solcher Wechsel der Abschreibungsmethode wäre handelsrechtlich als wertungswidersprüchlich und willkürlich einzustufen und ist somit nicht erlaubt.

Folglich ist im Regelfall eine handelsrechtliche Anwendung der degressiven AfA nicht zulässig. Gleiches gilt für die Zugrundelegung einer einjährigen Nutzungsdauer bei digitalen Wirtschaftsgütern für handelsbilanzielle Zwecke. Lediglich bei Vermögensgegenständen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von in Höhe von maximal EUR 800 aufweisen und folglich die Kriterien eines geringwertigen Wirtschaftsguts erfüllen, wäre eine Sofortabschreibung in der Handelsbilanz analog zur Steuerbilanz denkbar.

Wird steuerlich – abweichend zur Handelsbilanz – dennoch degressiv abgeschrieben oder einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt, entstehen im handelsrechtlichen Jahresabschluss zu versteuernde temporäre Differenzen. Diese müssen bei der Bilanzierung latenter Steuern berücksichtigt werden.

Aus unserer Sicht ergibt es folglich langfristig betrachtet in den meisten Fällen keinen Sinn bzw. ist es in den meisten Fällen nicht zulässig, handelsrechtlich degressiv abzuschreiben oder eine einjährige Nutzungsdauer für digitale Wirtschaftsgüter anzusetzen.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie weitere Fragen zu diesen Themen haben.

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