Seit das Coronavirus COVID-19 Deutschland erreicht hat, fragen sich Arbeitgeber zunehmend, welche Maßnahmen sie ergreifen können, um ein Ausbreiten der Infektion innerhalb der Belegschaft zu verhindern und den Betrieb im Notfall aufrecht erhalten zu können. Häufig wird dabei die Frage gestellt, ob Mitarbeiter angewiesen werden können, ihre Arbeit bis auf Weiteres im Homeoffice zu erbringen und welche anderen Verhaltensanweisungen arbeitsrechtlich zulässig sind.
Wir möchten Ihnen daher einen kurzen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen geben.
Nähere Informationen zu Auswirkungen auf die Vergütungsansprüche der Mitarbeiter finden Sie in unserem Beitrag „Coronavirus – Auswirkungen auf Vergütungsansprüche“.
1. Anordnung von Homeoffice-Tätigkeit
Das arbeitsvertragliche Weisungsrecht nach § 106 GewO berechtigt den Arbeitgeber grundsätzlich nicht dazu, einseitig eine Tätigkeit im Homeoffice anzuordnen (LAG Berlin-Brandenburg, 14. November 2018 - 17 Sa 562/18). Daher ist für eine Tätigkeit im Homeoffice in der Regel das Einverständnis des betroffenen Mitarbeiters erforderlich. Im Falle von akuten Notlagen kann dies ggf. anders zu beurteilen sein. Beispielhaft genannt werden Überschwemmungen oder Brände im Betriebsgebäude. Ob die derzeitige Situation im Hinblick auf das Coronavirus eine vergleichbare konkrete Gefahrenlage darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls bei nachgewiesenen Erkrankungen von Mitarbeitern oder einem hinreichenden Ansteckungsverdacht, z. B. nach einem Aufenthalt in Risikogebieten, wird man wohl von einer akuten Notlage ausgehen können. Zu berücksichtigen sind natürlich auch die weiteren Entwicklungen der Lage und die Empfehlungen der zuständigen staatlichen Stellen.
Im Idealfall sollte die Aufnahme einer Homeoffice-Tätigkeit einvernehmlich mit den Mitarbeitern geregelt werden – zumal kaum zu erwarten sein dürfte, dass Mitarbeiter in der aktuellen Situation eine Tätigkeit im Homeoffice verweigern werden.
Alternativ könnten Mitarbeiter unter Umständen auch angewiesen werden, Freizeitausgleichsansprüche bzw. Überstunden abzubauen oder Urlaub zu nehmen. Ferner käme ggf. eine einseitige – in der Regel bezahlte – Freistellung in Betracht. Diese Maßnahmen bieten sich jedenfalls dann an, wenn eine Tätigkeit im Homeoffice aus praktischen Gründen nicht möglich ist, etwa im Produktionsbereich. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Gewährung von „Zwangsurlaub“ oder einer einseitigen Freistellung dürfte regelmäßig zu bejahen sein, wenn ein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht, etwa im Einzelfall wegen der Rückkehr des Mitarbeiters aus einem Risikogebiet, das besonders stark vom Coronavirus betroffen ist, oder wenn ein Mitarbeiter des Betriebes nachweislich mit dem Virus infiziert ist und die übrige Belegschaft durch entsprechende Anordnungen vor – weiteren – Ansteckungen geschützt werden soll. Hierfür spricht auch die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht.
Damit verbunden stellt sich die Frage, inwieweit Mitarbeitern für die Dauer einer Homeoffice-Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung für die Nutzung ihrer häuslichen Infrastruktur (Strom, Internet etc.) zusteht. Sofern die Tätigkeit im Homeoffice einvernehmlich aufgenommen wird, sollte dieser Punkt ausdrücklich geregelt werden, ebenso weitere relevante Aspekte wie etwa Datenschutz, Betretungsrechte etc.
Besteht ein Betriebsrat, sind bei entsprechenden Maßnahmen auch dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten.
2. Sonstige Anweisungen
Grundsätzlich unproblematisch sind arbeitsbezogene Weisungen des Arbeitgebers, die Ansteckungsrisiken für die Mitarbeiter verringern sollen. Diese sind in der Regel von § 106 GewO gedeckt. So kann beispielsweise angeordnet werden, Dienstreisen in Risikogebiete nicht mehr oder nur mit vorheriger Zustimmung des Vorgesetzten durchzuführen, anstelle von persönlichen Meetings vorrangig Telekommunikationsmittel einzusetzen oder nicht an Kongressen teilzunehmen.
Einen Sonderfall stellt eine vom Betriebsrat einberufene Betriebsversammlung dar. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber weder die Durchführung noch gegenüber den Mitarbeitern die Teilnahme untersagen. In einem solchen Fall empfiehlt sich jedoch ein klärendes Gespräch mit dem Betriebsrat.
Problematischer sind Weisungen und Fragen des Arbeitsgebers, die den privaten Bereich der Mitarbeiter berühren. Angesichts der Ansteckungsgefahr und -wahrscheinlichkeit wird man grundsätzlich davon ausgehen können, dass Mitarbeiter, die aus offiziellen Risikogebieten zurückkehren, auch ohne Aufforderung zu einer entsprechenden Mitteilung an den Arbeitgeber verpflichtet sind. Daher dürften auch Nachfragen des Arbeitgebers bzw. Hinweise auf diese Mitteilungspflicht zulässig sein. Eine aktuelle Übersicht der Risikogebiete finden Sie auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts.
Für weitergehende Weisungen des Arbeitgebers wie etwa zum Unterlassen von Reisen oder Veranstaltungsbesuchen in der Freizeit gibt es mangels eines Zusammenhangs mit der beruflichen Tätigkeit keine rechtliche Grundlage. Es spricht aber nichts dagegen, an den gesunden Menschenverstand der Mitarbeiter zu appellieren und sie – unverbindlich – darum zu bitten, sich auch außerhalb der Arbeitszeit verantwortungsbewusst zu verhalten, um eine Verbreitung des Coronavirus zu vermeiden.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Maßnahmen des Arbeitsgebers durch das Arbeitsrecht gewisse Grenzen gesetzt werden. Sollte sich die Lage weiter verschärfen, ist jedoch davon auszugehen, dass der arbeitsrechtliche Handlungsspielraum ebenfalls wachsen wird.
Im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen für den Arbeitgeber sollte auch die Möglichkeit der Anordnung von Kurzarbeit verbunden mit der Inanspruchnahme von konjunkturellem Kurzarbeitergeld geprüft werden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierfür befinden sich vor dem Hintergrund der aktuellen Koalitionsbeschlüsse gerade im Fluss.
Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie weitere Fragen zu diesen Themen haben.