Mit Beschlüssen vom 8. Juli 2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit monatlich 0,5 % ab dem Jahr 2014 für verfassungswidrig erklärt.

Für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2018 ist die alte Regelung jedoch weiterhin anwendbar.

Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 muss der Gesetzgeber bis zum 31. Juli 2022 rückwirkend eine Neuregelung schaffen. Die alte Regelung ist insoweit nicht mehr anwendbar. Unanfechtbare Zinsfestsetzungen sind jedoch weder aufzuheben noch zu ändern. Die Vollstreckung noch nicht vollzogener Zinsfestsetzungen ist allerdings unzulässig. In der Ausgabe unseres Newsletters 7/2021 hatten wir bereits über das Urteil des BVerfG informiert.

Weisungen des BMF zur Umsetzung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts

Die Finanzverwaltung hat sich nun in einem BMF-Schreiben vom 17. September 2021 (IV A 3 – S 0338/19/10004 :005) zur künftigen Verfahrensweise geäußert.

Die wesentlichen Aussagen haben wir für Sie im im Folgenden zusammengefasst:

1. Erstmalige Zinsfestsetzungen

Für Zinszeiträume vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2018 erfolgt eine endgültige Festsetzung mit 0,5 % pro Monat.

Für Zinszeiträume ab 1. Januar 2019 wird die Zinsfestsetzung bis zum Inkrafttreten der rückwirkenden Gesetzesänderung ausgesetzt (vorläufige Festsetzung mit „Null").

Als Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 gelten nur volle Monate, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2018 enden.

2. Geänderte oder berichtigte Zinsfestsetzungen

Für Zinszeiträume vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2018 erfolgt eine endgültige Festsetzung mit 0,5 % pro Monat.

Für Zeiträume ab 1. Januar 2019 wird die korrigierte Zinsfestsetzung im Umfang der betragsmäßig neu festzusetzenden Zinsen ausgesetzt. Für bereits festgesetzte Zinsen erfolgt diese vorläufig, sofern die vorangegangene Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder (teilweise) vorläufig ergangen ist. Für unanfechtbare Zinsfestsetzungen bleibt es bei der endgültigen Festsetzung.

3. Einsprüche

Für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 wird der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, wenn keine Rücknahme erfolgt. Achtung: Eine in diesem Zusammenhang gewährte Aussetzung der Vollziehung endet.

Für Einsprüche gegen Zinsfestsetzungen ab dem 1. Januar 2019 wird das Verfahren bis zum Inkrafttreten der rückwirkenden Gesetzesänderung ausgesetzt. Die Vollziehung der Zinsfestsetzung wird ebenfalls ausgesetzt.

Wird gegen eine Aussetzung der Vollziehung von Erstattungszinsen Einspruch eingelegt, wird das Finanzamt diesen als unbegründet zurückweisen. Die ausgesetzte Zinsfestsetzung wird nach Inkrafttreten der rückwirkenden Gesetzesänderung nachgeholt.

4. Aussetzung der Vollziehung

Für Zinsfestsetzungen bis 31. Dezember 2018 wird die Aussetzung der Vollziehung beendet.

Für Zinsfestsetzungen ab dem 1. Januar 2019 bleibt die gewährte Aussetzung der Vollziehung bis auf Weiteres bestehen.

5. Anhängige Gerichtsverfahren

Für bei einem Finanzgericht oder beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe verweist das BMF auf die Zuständigkeit der Gerichte. Gerichtliche Rechtsbehelfe, die keine Aussicht auf Erfolg haben, sollten aus Kostengründen zurückgenommen werden.

6. Andere Zinsen

Für andere Zinsen, auf die § 238 Abs. 1 AO Anwendung findet und welche vorläufig festgesetzt wurden, gilt, dass diese grundsätzlich vorerst nicht für endgültig erklärt werden. Hierzu gehören unter anderen Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen. Wurde gegen eine solche Festsetzung Einspruch eingelegt, wird dieser als unbegründet zurückgewiesen.

7. Bisher ergangene BMF-Schreiben

Das neue BMF-Schreiben tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und ersetzt das BMF-Schreiben vom 2. Mai 2019 (IV A 3 - S 0338/18/10002, BStBl I S. 448).

Das BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 (IV A 3 - S 0465/18/10005-01, BStBl I S. 1393) zur Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Verzinsung, geändert durch das BMF-Schreiben vom 27. November 2019 (IV A 3 - S 0465/19/10004 :001, BStBl I S. 1266), wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben.