Verluste aus Kapitalvermögen: aktuelle Entwicklungen

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Die steuerliche Behandlung von Verlusten aus Kapitalvermögen ist für Anleger (wie z. B. von Wirecard-Aktien) stets ein zentrales Themen. Fraglich ist dabei, wann und wie Verluste aus Aktien, Wertpapieren, Termingeschäften sowie auch von Darlehen im Rahmen der sog. Abgeltungsteuer steuerlich berücksichtigt werden können.

„Verlustverrechnungstöpfe" für Verluste aus Kapitalvermögen und Aktien

Im Grundsatz gilt dabei, dass Verluste bei Einkünften aus Kapitalvermögen ausschließlich mit Einkünften aus Kapitalvermögen (z. B. Zinsen, Dividenden, Aktiengewinnen) verrechnet werden können, d. h. z. B. nicht mit gewerblichen Einkünften oder Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 20 Abs. 6 Satz 1 EStG). Für bestimmte Verluste bestehen darüber hinaus jedoch weitere Einschränkungen. So können Verluste aus Aktienverkäufen ausschließlich mit Gewinnen aus Aktien verrechnet werden. Hierfür müssen Depotbanken entsprechende „Verlustverrechnungstöpfe" bilden (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG).

Zwei weitere Töpfe für Termingeschäfte und bei Ausfall von Kapitalanlagen

Durch das „JStG 2019" wurden zwei weitere Beschränkungen eingeführt (sog. zeitlich gestreckte Verlustnutzung, § 20 Abs. 6 Sätze 5 und 6 EStG).

Die erste Einschränkung betrifft Verluste aus Termingeschäften (inkl. „Optionsgeschäften"). Diese dürfen ab 2021 lediglich in Höhe von EUR 20.000 pro Jahr und zwar lediglich mit Gewinnen aus Termingeschäften und Stillhalteprämien verrechnet werden. Erzielt ein Anleger in 2021 z. B. EUR 100.000 Optionsgewinne und zugleich EUR 80.000 Verluste aus derartigen Geschäften, muss er gleichwohl EUR 80.000 versteuern. Die verbleibenden Verluste i. H. v. EUR 60.000 können in den nächsten Jahren verrechnet werden, wenn der Anleger entsprechende Gewinne erzielt, natürlich nur maximal i. H. v. EUR 20.000 pro Jahr.

Die zweite Beschränkung betrifft seit 2020 Verluste aus dem Ausfall von Kapitalanlagen. Konkret dürfen Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung oder Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG (z. B. Aktien, Anleihen, Forderungen) lediglich in Höhe von EUR 20.000 p. a. verrechnet werden, jedoch mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen (z. B. auch mit Dividenden und Zinsen). Fällt z. B. eine Forderung i. H. v. EUR 1 Mio. aus, braucht der Steuerpflichtige mind. 50 Jahre für eine Verrechnung der Verluste. Denn verrechenbar sind pro Jahr lediglich EUR 20.000, sofern entsprechende Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt werden. 

Wie können sich Steuerpflichtige gegen die Verlustbeschränkungen wehren?

Die steuerliche Behandlung von Verlusten ist seit Einführung der Abgeltungsteuer ein streitanfälliges Thema zwischen den Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung. Dabei ist der Bundesfinanzhof der Auffassung der Finanzverwaltung in zahlreichen Verfahren zugunsten der Steuerpflichtigen entgegengetreten. Dies gilt z. B. für die Möglichkeit, dass Verluste auch bei Ausfall von Forderungen oder bei Ausbuchung von Aktien oder dem Verkauf von Aktien unabhängig von der Höhe des Kaufpreises entstehen können und auch dafür eine Verrechnung möglich ist. Nicht zuletzt dieser Rechtsprechung ist der Gesetzgeber mit der Einführung von § 20 Abs. 6 Sätze 5 und 6 EStG entgegengetreten. Die Rechtsprechung wurde zwar anerkennt, aber durch die zeitlich gestreckte Verlustnutzung in der Wirkung stark eingeschränkt.

Im Zuge des „JStG 2020" hat der Gesetzgeber die Chance verpasst, diese umstrittenen Regelungen aufzuheben. Der Bundesrat hatte einen entsprechenden Wunsch geäußert, der Bundestag hat aber das Gesetz bestehen lassen. Den von dieser Beschränkung betroffenen Steuerpflichtigen bleibt damit zunächst lediglich die Möglichkeit sich durch Einspruchs- und Klageverfahren gegen die Steuerbescheide im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu wehren.

Gegen die Beschränkung von Verlusten aus der Veräußerung von Aktien ist unter dem Az. VIII R 11/18 ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. In diesem Verfahren muss der Bundesfinanzhof klären, ob die Regelung nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG verfassungskonform ist. Entsprechende Steuerbescheide sollten unter Hinweis auf dieses Verfahren offen gehalten werden. Diese Empfehlung gilt grundsätzlich für alle Steuerpflichtigen, welche von der Verlustbeschränkung für Termingeschäfte und den Ausfall von Kapitalanlagen, d. h. der zeitlich gestreckten Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Sätze 5 und 6 EStG, betroffen sind. Sollte der BFH die verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG bestätigen, können sie auch gegen die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 und Satz 6 EStG hervorgebracht werden.

Nunmehr hat auch ein erstes Finanzgericht entschieden, dass die Regelung der § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG verfassungswidrig ist. In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2023 hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in der Rs. 1 V 1674/23 entschieden, dass die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 zur Ungleichbehandlung führt, für die nach vorläufiger Prüfung ein sachlicher Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt. Das Gericht hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung beim BFH zugelassen. Zudem ist eine Musterklage gegen die Regelung seit dem 24. Mai 2023 beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Az. 10 K 1091/23 anhängig. Insoweit besteht für die Anleger Hoffnung.

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