Positives Signal aus München - BFH schränkt Anwendungsbereich der Missbrauchsvermeidungsregelungen des § 15 Abs. 2 UmwStG ein

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Bei betriebswirtschaftlich notwendigen und sinnvollen Umstrukturierungen von Gesellschaften oder Konzernen ist einer der wesentlichen Aspekte bei der Beratung und Vorbereitung, dass nur Maßnahmen getroffen werden, die vermeiden, dass es zu einer steuerneutralen Umsetzung kommen kann. Sollte eine Aufdeckung der stillen Reserven erfolgen, kann dies zu einer erheblichen Steuerlast führen. Damit Umstrukturierungen steuerneutral umgesetzt werden können, legt das Umwandlungssteuergesetz gewisse Voraussetzungen fest, die eingehalten werden müssen. Daneben beinhalten die Vorschriften für die einzelnen Arten von Umwandlungen (Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen sowie Ausgliederungen) aber auch Missbrauchsvermeidungsregelungen. Diese sollen verhindern, dass Umstrukturierungen genutzt werden, um solche Veräußerungen von Unternehmen als Ganzes steuerneutral durchzuführen, die bei der Veräußerung der einzelnen Wirtschaftsgüter nicht möglich wären.

Eine solche Missbrauchsvermeidungsregelung findet sich für die Auf- und Abspaltung in § 15 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UmwStG. Diese ordnen an, dass die im Rahmen der Umwandlung übergehenden Wirtschaftsgüter zwingend mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind, wenn durch die Spaltung eine Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird oder durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Eine Auf- oder Abspaltung soll steuerlich nicht begünstigt werden, wenn sie zu einer gegenüber der Veräußerung von qualifizierten Einzelwirtschaftsgütern günstigeren Besteuerung führt. Nach § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG ist von der Schaffung der Voraussetzungen für eine Veräußerung durch die Spaltung "auszugehen", wenn mindestens 20 % der Anteile der an der Spaltung beteiligten Körperschaften in einem Zeitraum von fünf Jahren veräußert werden. Bislang nicht geklärt war die Frage, ob es sich bei den Sätzen 3 und 4 des § 15 Abs. 2 UmwStG um eigenständige Missbrauchsvermeidungsregelungen handelt oder um eine einheitliche. Sollte ersteres der Fall sein, wäre dies für Steuerpflichtige nachteilig, da hierdurch mehr Fälle unter die Regelung fallen würden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun die Gelegenheit, zu der Thematik Stellung zu nehmen. Anhängig waren zwei Revisionsverfahren, bei denen die Entscheidungen in der ersten Instanz unterschiedlich ausgefallen waren. Während das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg im Urteil vom 31. Mai 2018 (Az. 9 K 9143/16, Revision I R 27/18) die Sätze 3 und 4 als einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung ansah, kam das FG Hamburg im Urteil vom 18. September 2018 (Az. 6 K 77/16) zu einer gegenteiligen Auffassung. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 11. August 2021 (Az. I R 39/18) der Auffassung des FG Hamburg erfreulicherweise eine Absage erteilt.
Laut BFH hat § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG ohne die weitere Regelung in § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG keinen eigenständigen Regelungsinhalt. Es handelt sich somit bei beiden Sätzen gemeinsam um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung. Dies ist insbesondere bei Veräußerungen unterhalb der 20 %-Grenze oder nach Ablauf der Fünfjahresfrist von Bedeutung. Da eine Spaltung immer die Voraussetzungen für eine getrennte Veräußerung von Anteilen schafft, wäre der Tatbestand des § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG bei einer weiten Auslegung selbst ohne tatsächliche Veräußerung oder jedenfalls bei jeder noch so geringfügigen Veräußerung erfüllt. Dann wäre die Regelung in Satz 4 im Endeffekt überflüssig. Die Bedeutung des Satzes 3 liegt für den BFH darin, dass er die dogmatische Grundlage für die gesetzliche Vermutung in § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG bildet. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der eine Abgrenzung von missbräuchlichen Gestaltungen an einfach zu ermittelnde und objektive Umstände anknüpfen wollte.

Weiterhin hat der BFH entschieden, dass § 42 AO, in dem der sog. Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten geregelt ist, in der bis zum Streitjahr 2007 geltenden Fassung nicht anwendbar sei, wenn der Gesetzgeber missbrauchsverdächtige Sachverhalte durch eine Spezialvorschrift grundsätzlich abgedeckt und dadurch eine einheitliche Rechtsanwendung gesichert habe. Daneben bleibe für die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsregel kein Anwendungsbereich mehr. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 42 AO, wenn es eine spezielle Vorschrift in den Steuergesetzen gibt.

Aus Sicht der Steuerpflichtigen und Berater ist die Entscheidung des BFH zu begrüßen, da nunmehr Klarheit bei der Frage des Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 2 S. 3 und 4 UmwStG herrscht. Sollte die Finanzverwaltung einen vergleichbaren Fall in der Vergangenheit anders beurteilt haben, kann jetzt dagegen mit Verweis auf das BFH-Urteil vorgegangen werden, wenn noch eine formale Änderungsmöglichkeit besteht.

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