Grenzen der Verlustverrechnung

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Grenzen der Verlustverrechnung

Mit Urteil vom 23. November 2021 (Az. VIII R 22/18) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass nicht ausgeglichene Verluste eines Ehegatten aus Kapitalvermögen im Rahmen einer Veranlagung der Kapitalerträge zum gesonderten Tarif i.S. des § 32d Abs. 1 EStG nicht ehegattenübergreifend mit positiven Kapitalerträgen des anderen Ehegatten verrechnet werden können. Zudem ist es nach Auffassung des BFH mit der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, dass ausländische Quellensteuerbeträge gemäß § 32d Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG nicht gemäß § 32d Abs. 1 Satz 2 EStG auf die Einkommensteuer zum gesonderten Tarif i.S. des § 32d Abs. 1 EStG anrechenbar sind und verfallen, wenn die zugrunde liegenden ausländischen Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG mit inländischen Verlusten aus Kapitalvermögen zu verrechnen sind.

Urteilsfall

Dem Urteil lag vereinfacht folgender Sachverhalt zu Grunde: Die im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Eheleute werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten sie – neben Einkünften aus anderen Einkunftsarten – positive und negative inländische Kapitaleinkünfte mit und ohne Abzug der Kapitalertragsteuer, ausländische Kapitaleinkünfte aus Staaten der Europäischen Union (EU) mit und ohne ausländischen Steuerabzug und ausländische Kapitalerträge aus Nicht-EU-Staaten mit und ohne ausländischen Steuerabzug. Sie verfügten jeweils über Einzelkonten und -depots, die bei verschiedenen in- und ausländischen Kreditinstituten geführt wurden. Das Finanzamt verrechnete dabei positive Einkünfte aus Kapitalvermögen der Ehefrau mit Verlusten des Ehemanns. Darüber hinaus begehrte der Kläger sinngemäß, dass eine Verlustverrechnung nicht erfolgen solle, soweit die Kapitaleinkünfte mit ausländischen Quellensteuern belegt waren. Denn die Verlustverrechnung führe letztlich dazu, dass die Verluste untergehen, aber die ausländischen Quellensteuern nicht angerechnet werden können, es also zu einer wirtschaftlichen Doppelbelastung kommt.

BFH-Entscheidung

Der BFH folgte der Auffassung des Klägers nicht und bestätigte im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz. Dabei entschied der BFH zunächst, dass bei Anwendung des gesonderten Tarifs gem. § 32d Abs. 1 EStG („Abgeltungsteuer") die abzugsfähigen bzw. verrechenbaren Verluste eines Ehegatten nicht dazu dienen können, positive Kapitalerträge des anderen Ehegatten auszugleichen. Denn ein ehegattenübergreifender Ausgleich der positiven und negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen ist gem. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG i.d.F. von 2010 nicht möglich, wenn für jeden Ehegatten ein gesonderter Freistellungsantrag vorliegt. Etwas anderes gilt nur, wenn ein gemeinsamer Antrag gestellt wurde. Denn dann ist ein Ausgleich auch zwischen den Verlusten und positiven Erträgen beider Ehegatten möglich (§ 43a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EStG und § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG). Allerdings gelte dies nur, wenn die Verluste im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens verrechnet werden. Im Rahmen der Veranlagung fehle eine entsprechende Rechtsgrundlage, welche die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung ermöglicht.

Die im Urteilsfall vorgenommene Verrechnung von negativen mit positiven Einkünften entsprach daher nicht dem Gesetz. Das Gericht konnte aber die Steuer nicht erhöhen („Verböserungsverbot"). Des Weiteren teilte der BFH auch die Auffassung des Klägers im Hinblick auf die Quellensteuer nicht. Grundsätzlich gilt, dass ausländische Quellensteuern, die auf positive Einkünfte im Ausland erhoben werden, gem. § 32d Abs. 5 EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden können, aber eben nur bis zur Höhe der darauf entfallenden inländischen Steuer. Da der Kläger aber nicht ausgeglichene Verluste in erheblichem Umfang hatte, wurden diese Verluste gem. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG mit den positiven Kapitalerträgen – auch den ausländischen – verrechnet. Dies führte dazu, dass sich keine inländische Steuer mehr für die ausländischen Einkünfte ergab, auf welche die ausländischen Steuern hätten angerechnet werden können.

Diese Handhabung verstoße nach Auffassung des Klägers gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 49 und Art. 63 AEUV. Daher beantragte er, die Verlustverrechnung nur auf die Kapitaleinkünfte zu begrenzen, bei denen keine ausländischen Quellensteuern angefallen waren, damit die anschließende Anrechnung der ausländischen Quellensteuern nicht ins Leere ginge. Dies lehnte der BFH jedoch ab, weil die Handhabung des Finanzamtes in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht stehe (§ 32d Abs. 5 EStG). Auch könne ein evtl. verbleibender Anrechnungsüberhang weder erstattet noch vorgetragen werden. Der BFH sieht hierin keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und/ oder die Kapitalverkehrsfreiheit nach den Art. 49 und 63 AEUV. Denn Deutschland hat als Wohnsitzstaat des Klägers dessen in- und ausländische Kapitaleinkünfte als Steuerbemessungsgrundlage und auch bei der Verlustverrechnung gleichbehandelt. Die Nichtanrechnung der ausländischen Quellensteuern führt zu keinem Verstoß gegen Art. 63 AEUV, weil diese Steuererhebung auf dem Recht des Quellenstaates beruht. Deutschland ist insoweit nicht verpflichtet, diese ausländische Steuer zulasten seines eigenen Steueraufkommens anzurechnen.

Dieses Urteil zeigt, dass im Rahmen der Verlustverrechnung kein Unterschied zwischen in- und ausländischen Verlusten gemacht wird. Dies kann letztlich zu einer wirtschaftlichen Doppelbelastung führen, weil einerseits Verluste verrechnet, aber andererseits die ausländischen Steuern mangels steuerlicher Bemessungsgrundlage nicht angerechnet werden können. Dies ist bedauerlich, aber nach Auffassung des BFH kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und/ oder die Kapitalverkehrsfreiheit nach den Art. 49 und 63 AEUV. Weitaus überraschender dürfte für die Steuerpflichtigen sein, dass nach Auffassung des BFH im Rahmen der Veranlagung der Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Rechtsgrundlage für eine ehegattenübergreifende Verlustverrechnung fehlt. Dies sollte bei Ausübung der Veranlagungsoption nach § 32d Abs. 4 EStG bedacht werden.

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