Der Bundesfinanzhof zur tatsächlichen Durchführung von Gewinnabführungsverträgen im Rahmen der ertragsteuerlichen Organschaft

icon arrow down white

Mit zwei Urteilen vom 2. November 2022 (Az. I R 29/19, Az. I R 37/19) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu verschiedenen Aspekten der wirksamen Durchführung eines Gewinnabführungsvertrages (GAV) Stellung genommen. Darüber hinaus hat der zuständige I. Senat bestätigt, dass die unterlassene Durchführung des GAV innerhalb der fünfjährigen Mindestlaufzeit zur rückwirkenden steuerlichen Unwirksamkeit der Organschaft führt.

Die ertragsteuerliche Organschaft und der Gewinnabführungsvertrag

Die ertragsteuerliche Organschaft ist eines der effektivsten steuerlichen Gestaltungsinstrumente, um innerhalb einer Unternehmensgruppe die Steuerquote zu optimieren. Durch die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft wird die steuerliche Intransparenz einer Kapitalgesellschaft durchbrochen und die Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten ermöglicht. Neben anderen in § 14 KStG normierten Voraussetzungen muss zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen werden. Zivilrechtlich wird der Organträger dazu verpflichtet etwaige Verluste der Organgesellschaft auszugleichen. Dagegen ist die Organgesellschaft dazu verpflichtet etwaige Gewinne an den Organträger abzuführen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG muss der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Bislang ist es in der Literatur mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung umstritten, wann ein Gewinnabführungsvertrag tatsächlich durchgeführt wird.

Mit seinen Urteilen vom 2. November 2022 hat der BFH in dieser Hinsicht zumindest teilweise Klarheit geschaffen.

I R 29/19: Tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags im Fall der Insolvenz

Im Verfahren I R 29/19 wurde sowohl für den Organträger als auch für die Organgesellschaft die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lag lediglich ein vorläufiger Jahresabschluss für die Organgesellschaft vor. Ein endgültiger Jahresabschluss wurde nicht festgestellt. Das Jahresergebnis des vorläufigen Jahresabschlusses entsprach nicht dem eines potenziellen endgültigen Jahresabschlusses.

Nach Auffassung des BFH stellt der Umstand, dass Forderungen der Gläubiger in einem Insolvenzverfahren gem. § 38 InsO nicht bedient werden dürfen, eine schädliche Nicht-Durchführung des GAV dar, wenn dadurch das Ergebnis der vorläufigen Bilanz nicht der der endgültigen Bilanz entspricht. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg (11. Dezember 2018, Az. 1 K 483/17) hatte an dieser Stelle anders argumentiert und in einer weiten Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG einen wichtigen Grund für die Nicht-Durchführung angenommen. Der BFH stellt nun klar, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG nicht analog auf die Durchführung anwendbar ist. Dabei sei es auch unbeachtlich, ob die Erfüllung aufgrund der Entscheidung des Steuerpflichtigen verhindert wird oder eine gesetzliche Norm der Erfüllung entgegensteht.

I R 37/19: Tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags bei fehlender Buchung einer Forderung

Die Organgesellschaft hatte im relevanten Streitjahr einen Verlustausgleichsanspruch gegen den Organträger. Dieser wurde im Jahresabschluss nicht als Forderung verbucht, sondern lediglich in internen Begleitschreiben und Berichten hingewiesen worden.

In der Literatur war bisher strittig, ob die sich aus dem zivilrechtlichen GAV entstehende Forderung oder Verbindlichkeit tatsächlich in der Bilanz gebucht werden muss. Der BFH stellte klar, dass diese Buchung eine objektiv unabdingbare Pflicht darstellt und der der Verdeutlichung dient, dass der GAV tatsächlich durchgeführt wird.

Keine Heilung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG

Mangels eines notwendigen endgültigen Jahresabschlusses (Az. I R 29/19) bzw. eines fehlerhaften Bilanzansatzes (Az. I R 37/19) verneint der BFH jeweils die Anwendung der Heilungsvorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG. Ein fehlerhafter Bilanzansatz auf Ebene der Organgesellschaft ist insoweit nur dann heilbar, wenn sich dieser auf die Höhe des abzuführenden Gewinns- oder des Verlustausgleichanspruches bezieht. Nicht heilbar sei dagegen, wenn der Fehler darin besteht, dass ein verbleibender Gewinn oder Verlust aus dem unterlassenen Buchen der zivilrechtlichen Verpflichtung des GAV resultiert.

Unwirksamkeit der Organschaft

In beiden Urteilen bestätigte der BFH sein Verständnis zur Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen die tatsächliche Durchführung aus dem Urteil vom 10. Mai 2017 (Az. I R 51/15). Erfolgt der Verstoß während der Mindestvertragslaufzeit, so ist die Organschaft rückwirkend unwirksam.

Fazit: Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft penibel beachten

Beide Urteile des BFH verdeutlichen (mal wieder) wie wichtig es bei der ertragsteuerlichen Organschaft ist, die gesetzlich normierten Voraussetzungen auch tatsächlich einzuhalten. Der BFH geht bei der Prüfung der Wirksamkeit der ertragsteuerlichen Organschaft sehr formal vor. Anders als in anderen Bereichen des Steuerrechts kommt es nicht zu einer weiten Auslegung des Wortlauts oder des Sinns und Zwecks der einschlägigen Normen. Das bezieht sich insbesondere auf die Heilungsvorschriften im Rahmen des § 14 KStG. Aufgrund der sehr strengen Rechtsfolge innerhalb der Mindestvertragslaufzeit (rückwirkende Unwirksamkeit der Organschaft), ist auf die Einhaltung der Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft penibel zu achten.

Für die Steuerpflichtigen und Berater ist allerdings noch nicht „tatsächliche Klarheit" geschaffen worden. Es lässt sich ein zweistufiges Verfahren bei der tatsächlichen Durchführung erkennen. Der BFH hat nur zur ersten Stufe entschieden, dass die Gewinnabführungsverpflichtung bzw. der Verlustausgleichsanspruch tatsächlich in der Bilanz der Organgesellschaft gebucht wurde. Wie und wann die jeweilige Verpflichtung zu erfüllen ist, ist weiterhin unklar. An dieser zweiten Stufe wird die Diskussion weitergehen. Hierbei stellen sich mehrere Fragen. So zum Beispiel, ob eine Zahlung innerhalb der Mindestvertragslaufzeit oder innerhalb der Organschaft an sich erfolgen muss, ob die Novation in ein Darlehen ausreichend ist und ob eine Erfüllung im Rahmen eines Cash Pools möglich ist.

 

Über das Symbol diesen Artikel weiterempfehlen

Dazu passende Artikel

  • Jahressteuergesetz 2024: Erster Entwurf liegt vor

  • Wachstumschancengesetz: Änderungen für gemeinnützige Organisationen

  • Das Wachstumschancengesetz im Überblick

  • Einlagenrückgewähr in Outbound-Konstellationen