BGH bestätigt Urteil im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafverfahren

icon arrow down white

So lautet die Überschrift der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes vom 28. Juli 2021 und zeugt von einem Paukenschlag in Sachen „Cum-Ex".

Als Cum-Ex-Geschäfte bezeichnet man eine bis zum Jahre 2012 mögliche Steuergestaltung zulasten der Staatskasse, bei der sich die Beteiligten eine nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer doppelt erstatten ließen. Dazu wurden große Aktienpakete rund um den Ausschüttungstermin (Dividendenstichtag des Unternehmens) mit (cum) und ohne (ex) Dividende im Kreis gehandelt. Das ausgeklügelte System von Leerverkäufen führte dazu, dass mehrere Beteiligte für dieselbe Dividende Steuerbescheinigungen erhielten und beim Finanzamt für eine Steuererstattung nutzen konnten, obwohl bei der Abwicklung der Ausschüttung nur einmal Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Allein dem deutschen Staat soll dadurch ein Schaden von ca. 31,8 Milliarden Euro entstanden sein. Auch andere europäische Staaten waren betroffen.

In dem ersten höchstrichterlichen Urteil zu Cum-Ex-Geschäften entschied der 1. Strafsenat, der u.a. für Steuerstrafsachen zuständig ist, dass die gegen das Urteil des LG Bonn von den Verfahrensbeteiligten - mit unterschiedlicher Reichweite und Angriffsrichtung - eingelegten Revisionen verworfen und nur der Schuldspruch in Bezug auf einen Angeklagten geändert wird.

Der Entscheidung des Gerichts lag die erste Entscheidung in Bezug auf die Cum-Ex-Geschäfte des Landgerichts Bonn vom März 2020 zugrunde. Darin wurden Bewährungsstrafen für die Angeklagten, die seinerzeit britische Börsenhändler waren, wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung ausgesprochen sowie Erträge aus dem rechtswidrigen Geschäftsmodell eingezogen. Eine Hamburger Bank sollte als einziges von ursprünglich fünf nebenbeteiligten Finanzinstituten 176 Millionen Euro zahlen. Die Strafen fielen vergleichsweise moderat aus, da die Angeklagten Auskunft über das komplizierte Cum-Ex-System gaben und so als Kronzeugen zur Aufdeckung der Struktur verhalfen.

Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. An einer vorsätzlichen Begehung bestehe kein Zweifel, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. „Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vor, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verstoßen haben. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf", so ausweislich der Pressemitteilung. Auch sei die Einziehung der Taterträge (d.h. die unrechtmäßig erstattete Kapitalertragsteuer) rechtsfehlerfrei. Insbesondere auf Grund der durch das Jahressteuergesetz 2020 neu eingeführten Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB sei die Einziehung auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Die Entscheidung (Az. 1 StR 519/20) ist im Wortlaut noch nicht veröffentlicht.

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt z. Zt. gegen etwa 1000 Beschuldigte, darunter Verantwortliche nationaler Banken, Mitarbeiter internationaler Investmentbanken und Berater. Die Folgen des Urteils des Bundesgerichtshofs, der nun eine vorsätzliche Steuerhinterziehung in den Cum-Ex-Geschäften und nicht nur ein „Steuerschlupfloch" konstatiert, werden in den weiteren, noch laufenden Verfahren sicherlich berücksichtigt werden.

Über das Symbol diesen Artikel weiterempfehlen

Dazu passende Artikel

  • Wertpapieraufsicht: Wirecard lässt grüßen

  • Nachrangabreden bei Finanzierungsinstrumenten: Unbeliebt – aber notwendig?

  • Grundschuld und Rückgewähranspruch als Sicherheiten

  • Maßnahmenpaket der Bundesregierung