Strengere Anforderungen bei der Unterstützung von Fortbildungsveranstaltungen durch Mitgliedsunternehmen

Entscheidung der FSA-Schiedsstelle zum Gäubodenvolksfest

icon arrow down white

Unter dem Aktenzeichnen Az.: 2022.8-667-672, 674 hat die Schiedsstelle des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. (FSA) kürzlich eine neue Entscheidung zum Sponsoring externer Fortbildungsveranstaltungen veröffentlicht und hierbei ihre bisherige Spruchpraxis zu der Beurteilung der „Anreizwirkung" in Teilen aufgegeben. Anders als bisher sei für die Bewertung der Anreizwirkung eines Tagungsorts die Sicht der breiten Öffentlichkeit und nicht mehr der Fortbildungsteilnehmer maßgeblich. Auch auf die tatsächliche Unmöglichkeit der Teilnehmer, an einem Volksfest während der Veranstaltung teilzunehmen, komme es daher nicht an. Die Schiedsstelle hat entschieden, dass das sogenannte Gäubodenvolksfest besondere Erlebnismöglichkeiten biete, die dem Veranstaltungsort Straubing während des Fests eine seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung gebe.

Das Gäubodenvolksfest und die gesponsorte Fortbildungsveranstaltung

Das Gäubodenvolksfest findet seit mehr als 200 Jahren in Straubing statt. Mit einer jährlichen Besucherzahl von über einer Million gehört es zu den größten Volksfesten Bayerns und fiel im vergangenen Jahr in die Zeit vom 12. bis zum 22. August. Das Volksfest erstreckt sich über eine Fläche von ca. 90.000 Quadratmetern.

Zeitgleich fand im vergangenen Jahr ein eintägiges Fortbildungssymposium für Urologen statt, das von einigen FSA-Mitgliedsunternehmen gesponsert wurde. Das Programm der ärztlichen Fortbildungsveranstaltung war so getaktet, dass ein Besuch des Gäubodenvolksfests durch die eingeladenen Ärzte während des Symposiums nicht möglich war.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe

Nach Auffassung der Schiedsstelle des FSA vermittelt das Gäubodenvolksfest für den Tagungsort Straubing einen seinen Charakter entscheidend prägende Anreizwirkung. Entgegen der früheren FSA-Spruchpraxis komme es dabei nicht auf die Sichtweise der eingeladenen Ärzte an; irrelevant sei auch, ob die Fortbildungsteilnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatten, das Volksfest zu besuchen. Die Veranstaltung hätte nicht von FSA-Mitgliedsunternehmen finanziell unterstützt werden dürfen.

1. Anreizwirkung: Sicht der breiten Öffentlichkeit maßgebend

Die Schiedsstelle verweist in ihrer Entscheidung unter anderem auf Ziff. 12a.2 der Leitlinien des Vorstands des FSA zum FSA-Kodex Fachkreise. Danach kommt es bei der Beurteilung, ob ein Tagungsort eine Anreizwirkung aufweist, nicht (mehr) auf die Sicht der eingeladenen Fachkreise, sondern die Sichtweise Dritter an. Hiermit ist die breite Öffentlichkeit gemeint. Das bedeutet: Es ist irrelevant, ob die Fortbildungsteilnehmer das Gäubodenvolksfest, welches parallel zum Symposium stattfand, als „reizvoll" empfunden haben; für einen Kodexverstoß ist es vielmehr ausreichend, wenn Dritte das Bestehen einer Anreizwirkung bejahen.

2. Bekanntheit des Gäubodenvolksfestes nicht allein ausschlaggebend

Die Schiedsstelle weist zudem darauf hin, dass die Kriterien zur Bestimmung der Anreizwirkung in Ziff. 12a der Leitlinie auslegungsbedürftig seien. Im vorliegenden Fall folge die Anreizwirkung in erster Linie aus den besonderen Erlebnismöglichkeiten des Gäubodenvolksfests. Diese ergäben sich aus dem Zusammenspiel zahlreicher Faktoren wie der Größe, Dauer und Attraktivität der Veranstaltung für die Bevölkerung. Auf die Bekanntheit der Veranstaltung komme es nicht allein an. Es sei auch nicht erforderlich, dass das Gäubodenvolksfest dem in Ziff. 12.a.1 (ii) der Leitlinien explizit genannten Oktoberfest oder dem Kölner Karneval thematisch, hinsichtlich der Besucherzahl oder bezüglich der Dauer gleichkomme. 

Entscheidend sei insbesondere, dass die Veranstaltung aus Sicht der breiten Öffentlichkeit eine hohe Attraktivität aufweise. Dies sei bei dem Gäubodenvolksfest der Fall. Ein Kodexverstoß kann daher auch dann vorliegen, wenn in der näheren Umgebung einer Fortbildungsveranstaltung eine eher unbekannte, aber gleichwohl attraktive Erlebnismöglichkeit besteht. Die Schiedsstelle führt in ihrer Entscheidung explizit die Fastnacht-Veranstaltungen in Mainz oder Basel, den Cannstatter Wasen, den Bremer Freimarkt und die Passionsspiele in Oberammergau als weitere Veranstaltungen mit möglicherweise kodexwidriger Anreizwirkung an.

3. Auf die tatsächliche Teilnahme am Gäubodenvolksfest kommt es nicht an

Die Schiedsstelle stellte außerdem fest, dass die tatsächliche Teilnahmemöglichkeit der Fortbildungsteilnehmer an dem Gäubodenvolksfest keine notwendige Voraussetzung für einen Kodexverstoß sei. Hierauf komme es nach Ziff. 12a.2 der Leitlinien nicht an. An der bisherigen Spruchpraxis, wonach die Möglichkeit der Teilnehmer, einen Aufenthalt nach Ende der Veranstaltung zu verlängern, keinen zusätzlichen unsachlichen Anreiz vermittele, könne nicht mehr uneingeschränkt festgehalten werden. Das bedeutet: Gemäß dieser Schiedsstellenentscheidung ist bereits die „abstrakte Anreizwirkung" für einen Kodexverstoß ausreichend.

Fazit: Anpassung der Compliance-Strukturen vielfach erforderlich

Die Entscheidung verdeutlicht: Die Schiedsstelle legt Ziff. 12a der Leitlinien streng aus. FSA-Mitgliedsunternehmen müssen Fortbildungsveranstaltungen, die sie sponsern möchten, nun noch genauer überprüfen. Vor einem Sponsoring sollte unbedingt geklärt werden, ob in näherer Umgebung des jeweiligen Veranstaltungsortes vermeintliche Erlebnismöglichkeiten vorhanden sind, die aus Sicht der breiten Öffentlichkeit eine entscheidend prägende (abstrakte) Anreizwirkung vermitteln könnten. Vielfach wird eine Anpassung der Compliance-Strukturen notwendig sein, um künftigen Kodexverstößen hinreichend vorzubeugen. Hierbei unterstützen wir Sie gern.

Über das Symbol diesen Artikel weiterempfehlen

Dazu passende Artikel

  • FSA-Schiedsstelle bestätigt: Tagungsstätten mit Gourmetrestaurant und Spielbank nicht vereinbar mit dem FSA-Kodex

  • Welche Inhalte sind bei ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen erlaubt?

  • Reform der Pflegeversicherung

  • Auch Medizinprodukte und Arzneimittel unterliegen dem Verpackungsgesetz