Homeoffice für alle?

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Nachdem zum Jahresbeginn 2019 das Gesetz zur Brückenteilzeit in Kraft getreten ist (wir berichteten), werden in Berlin bereits die nächsten im Koalitionsvertrag angelegten Arbeitsrechtreformen geplant. Neben der Einschränkung von sachgrundlosen Befristungen wird derzeit auch an einem Gesetzesentwurf für ein „Recht auf Homeoffice“ gearbeitet.
 
Dies nehmen wir zum Anlass, an dieser Stelle die wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für „Telearbeitsplätze“, wie das Homeoffice im Juristendeutsch heißt, in einem kurzen Überblick zusammenzufassen. Das Homeoffice beschäftigt immer wieder die Arbeits- und Sozialgerichte, da die gesetzlichen Vorgaben und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, welche für Arbeitsplätze im Betrieb gelten, sich nicht ohne Weiteres auf Homeoffice-Arbeitsplätze übertragen lassen.
 
Neben der Frage eines Anspruchs auf Homeoffice ist in der Praxis vor allem die Möglichkeit der Beendigung einer Homeoffice-Tätigkeit relevant. Ferner spielen Themen wie Arbeitsschutz, Unfallversicherungsschutz und Datenschutz eine große Rolle. Besteht ein Betriebsrat, hat dieser ebenfalls Mitspracherechte.

Anspruch auf Tätigkeit im Homeoffice

Bislang gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ist sehr zurückhaltend, wenn es um die Begründung eines solchen Anspruchs, etwa wegen eigener Krankheit oder der Betreuung von Familienmitgliedern geht. Künftig soll es – nach den bisher bekannt gewordenen Planungen des Bundesarbeitsministeriums – wohl weiterhin keinen generellen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice geben, aber eine Pflicht des Arbeitgebers, eine Ablehnung zu begründen. Dieser Ansatz erinnert an die Begründungspflicht bei der Ablehnung eines Teilzeitantrages. Die Ausgestaltung ist derzeit jedoch völlig unklar, denn ein ausformulierter Gesetzentwurf liegt noch nicht vor.

Pflicht zur Tätigkeit im Homeoffice?

Allerdings wünscht sich durchaus nicht jeder Arbeitnehmer einen Homeoffice-Arbeitsplatz.  Das LAG Berlin-Brandenburg musste jüngst die Frage beantworten, ob es ein einseitiges Recht des Arbeitgebers gibt, den Arbeitnehmer auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz zu „versetzen“ (Urt. v. 10. Oktober 2018, Az.: 17 Sa 562/18). Es verneinte dies mit der Begründung, dass der Arbeitnehmer im Normalfall nur eine Tätigkeit im Betrieb schulde. Dies bedeute, dass der Arbeitgeber sein vertragliches Weisungsrecht überschreite, wenn er eine dauerhafte Tätigkeit im Homeoffice anordnet, da dies nicht mit einer Tätigkeit im Betrieb vergleichbar sei. Eine Versetzung ins Homeoffice erfordere daher die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers, selbst wenn - wie im zugrundeliegenden Fall - der Betrieb geschlossen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob sich weitere Gerichte dieser Rechtsprechung anschließen werden.

Beendigung der Homeoffice-Tätigkeit

In der Regel erfolgt die Aufnahme einer Tätigkeit im Homeoffice jedoch einvernehmlich und auf Wunsch des Arbeitnehmers, so dass in der Praxis die Frage der einseitigen Beendigungsmöglichkeit weitaus bedeutsamer ist.

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber mit der Homeoffice-Tätigkeit des Arbeitnehmers unzufrieden ist. Nach bisheriger Rechtsprechung ist die einseitige Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung durch den Arbeitgeber grundsätzlich möglich. Allerdings hat der Arbeitgeber dabei die Grenzen seines Direktionsrechts zu beachten (§ 106 S. 1 Gewerbeordnung). Er muss also auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen, eine willkürliche Beendigung ist nicht erlaubt. Im Hinblick darauf ist eine sorgfältige Gestaltung von Homeoffice-Richtlinien und Vereinbarungen sehr wichtig, die Widerrufsmöglichkeiten sowie ggf. Befristungen regeln sollten.

Die Arbeit im Homeoffice hat für den Arbeitnehmer nicht nur Vorteile. Er kann mit einer Homeoffice-Tätigkeit unzufrieden sein, weil z.B. die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu sehr verschwimmen oder die „Entfremdung“ von Vorgesetzten und Kollegen zunimmt. Unter welchen Voraussetzungen eine einseitige Beendigung einer Homeoffice-Vereinbarung durch den Arbeitnehmer möglich ist, ist bisher nicht geklärt. Insoweit empfiehlt sich ebenfalls eine vertragliche Regelung.

Homeoffice und Arbeitsschutz

Auch im Homeoffice gelten die Arbeitsschutzbestimmungen und der Arbeitgeber bleibt für deren Einhaltung verantwortlich.

So muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes einhält, was gerade bei flexibler Einteilung der Arbeitszeit nicht ganz leicht ist. Er sollte daher mit dem Arbeitnehmer schriftlich vereinbaren, dass dieser die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten eigenständig beachtet. Die Aufzeichnungspflicht für Arbeitszeiten, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehen (§ 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz) kann ebenfalls auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Erkennt der Arbeitgeber, dass gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wird, muss er dagegen einschreiten, anderenfalls drohen Geldbußen.

Zu beachten sind ferner das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung. Die Reichweite ist aufgrund missglückter Regelungen zum Teil etwas unklar. Allerdings sollte sich der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer zumindest bestätigen lassen, dass der Arbeitsplatz im Homeoffice den Anforderungen des Arbeitsschutzes entspricht und dies idealerweise auch in geeigneter Form prüfen. Im Hinblick auf notwendige Gefährdungsbeurteilungen ist zudem die Vereinbarung von Zutrittsrechten des Arbeitgebers ratsam.

Unfälle im Homeoffice

Kommt es im Homeoffice zu einem Unfall, ist oft nur schwer feststellbar, ob dieser dem beruflichen oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist. Im Hinblick auf den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz macht es einen entscheidenden Unterschied, ob der Arbeitnehmer, der die Treppe seines Wohnhauses hinunterfällt, auf dem Weg in die Küche war, um sich ein Glas Wasser zu holen oder ob er auf dem Weg in sein heimisches Büro war, um ein dienstliches Telefonat zu führen. Die Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls trägt der Arbeitnehmer. Hier kommt es ggf. auf Kleinigkeiten wie das Mitführen von Arbeitsmaterial oder einen zeitlichen Zusammenhang mit einem vereinbarten Telefontermin an, wie eine unlängst ergangene Entscheidung des Bundessozialgerichtes (Urt. v. 27. November 2018 – B 2 U 28/17) zeigt. Vor diesem Hintergrund sollte ggf. der Abschluss einer privaten Unfallversicherung zugunsten des Arbeitnehmers erwogen werden. Jedenfalls sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber in nachweisbarer Form auf den eingeschränkten Schutz hinweisen.

Technik und Datenschutz im Homeoffice

Homeoffice-Vereinbarungen sollten stets regeln, welche technische Ausstattung das Homeoffice aufweisen muss und wer diese Ausstattung zur Verfügung stellt bzw. die Kosten dafür trägt – und ggf. auch das Ausfallrisiko. Ferner muss sichergestellt werden, dass Unbefugte keinen Zugriff auf die Arbeitsmittel des Arbeitgebers sowie auf vertrauliche Informationen und Daten erhalten. Insoweit empfehlen wir neben notwendigen technischen Vorkehrungen dringend die schriftliche Vereinbarung konkreter Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers.

Homeoffice und der Betriebsrat

Besteht ein Betriebsrat, hat dieser Mitspracherechte bei Homeoffice-Arbeitsplätzen, sowohl im Hinblick auf eine damit ggf. verbundene Versetzung des betreffenden Arbeitnehmers (§ 99 Betriebsverfassungsgesetz) als auch im Hinblick auf sonstige Mitbestimmungsrecht, insbesondere gemäß § 87 Betriebsverfassungsgesetz. Daher kann es sich anbieten, dieses Thema insgesamt durch eine Betriebsvereinbarung zu regeln. In Betrieben ohne Betriebsrat kann eine Homeoffice-Richtlinie sinnvoll sein, um einheitliche Regelungen festzulegen.

Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie weitere Fragen rund um das Thema Homeoffice haben oder Unterstützung bei Homeoffice-Vereinbarungen benötigen.

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