Entlastungsbeschlüsse und Verletzungen des Auskunftsrechts im Aktienrecht

icon arrow down white

Anders als bei anderen Gesellschaftsformen führt die Fassung eines Entlastungsbeschlusses nicht dazu, dass zukünftige Schadensersatzansprüche gegen das entlastete Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ausgeschlossen sind (§ 120 Abs. 2 AktG). Allerdings entscheiden die Aktionäre mit der Entlastung, ob die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr zu billigen ist, sie in der Unternehmensführung eine „glückliche Hand“ bewiesen haben und ihnen das Vertrauen auch für ihre künftige Tätigkeit auszusprechen ist (BGH, NJW 2005, 828, 829).

Vor diesem Hintergrund setzt die Entlastung voraus, dass die Aktionäre so über die Tätigkeit des Organmitglieds im abgelaufenen Geschäftsjahr unterrichtet sind, dass sie sachgemäß über die Billigung entscheiden können. Ein maßgeblicher Teil der Unterrichtung erfolgt dabei durch die Entsprechenserklärung von Vorstand und Aufsichtsrat zum Corporate Governance Kodex (§ 161 Abs. 1 AktG). Ist diese Erklärung unrichtig, führt dies, soweit die Organmitglieder die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung kennen mussten, zu einer Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses (BGH, NZG 2009, 342).

Daneben kann jedoch auch die unzureichende Erfüllung des Auskunftsanspruchs des Aktionärs (§ 131 AktG) in der Hauptversammlung zur Anfechtbarkeit eines Entlastungsbeschlusses führen. Mit dieser Konstellation hatte sich zuletzt das OLG Stuttgart (Hinweisbeschluss vom 7. Oktober 2019, Az. 20 U 2/18, NZG 2020, 309) im Falle der in den „Dieselskandal“ verwickelten Porsche SE zu beschäftigen. In der Hauptversammlung im Jahr 2016 fragten Aktionäre, wann die Organmitglieder der Gesellschaft erstmals Kenntnis von Rechtsverstößen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal hatten und welche Maßnahmen diese daraufhin getroffen hätten. Dabei erteilte die Porsche SE mit Verweis auf laufende Untersuchungen in den USA keine Auskunft zu den vorgenommenen Maßnahmen.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das OLG Stuttgart dargelegt, dass eine Anfechtung wegen Auskunftsmängeln nur dann in Betracht kommt, wenn ein objektiv urteilender Durchschnittsaktionär die Auskunft als wesentliches Beurteilungselement für seine Stimmabgabe benötigt. Für die Prüfung dieser Frage bei Entlastungsbeschlüssen stellt das OLG Stuttgart insbesondere auf drei Aspekte ab:

  1. Die begehrte Auskunft muss sich auf die Tätigkeit der Organe im Entlastungszeitraum beziehen. Allerdings können Vorgänge außerhalb des Entlastungszeitraums dann relevant werden, wenn sie in den Entlastungszeitraum fortwirken oder es sich um neue Gesichtspunkte handelt, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen.
  2. Eine erteilte Auskunft muss erschöpfend sein und es dürfen keine Beschränkungen in die Frage des Aktionärs „hineingelesen“ werden. Rügt ein Aktionär, dass seine Frage nicht beantwortet wurde, muss der Versammlungsleiter dies vor Schließung der Debatte prüfen.
  3. Die Antwort darf sich nicht aus veröffentlichten Dokumenten, insbesondere aus dem Geschäftsbericht des letzten Jahres, ergeben. Andernfalls ist die Auskunft nicht erforderlich.

Hier berief sich die Porsche SE insbesondere darauf, dass die getroffenen Maßnahmen im Geschäftsbericht und weiteren Veröffentlichungen bereits dargelegt worden seien. Allerdings hatte die Porsche SE im Prozessvortrag auch Maßnahmen dargestellt, welche nicht vollständig im Geschäftsbericht und nur teilweise in den anderen Veröffentlichungen bekannt gemacht worden waren. Daraus konnte das Gericht schließen, dass die Auskunft in der damaligen Hauptversammlung gerade nicht vollständig erteilt wurde.

Es bleibt festzuhalten, dass Entlastungsbeschlüsse besonders anfällig für Anfechtungsklagen bleiben. Dabei trifft eine besondere Verantwortung auch den Versammlungsleiter, welcher die Erfüllung des Auskunftsrechts und die Rüge der Nichtbeantwortung vor Schließung der Debatte prüfen muss. Der Beschluss des OLG Stuttgart zeigt, wie wichtig die umfängliche Vorbereitung der Hauptversammlung auch durch umfassende Fragenkataloge und die Einrichtung eines ausreichend ausgestatteten Backoffice sind.

Über das Symbol diesen Artikel weiterempfehlen

Dazu passende Artikel

  • Bestellung des Vorstands einer AG zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH

  • Bevorstehende mögliche Änderungen der Unternehmensmitbestimmung?

  • Im Überblick: Was ändert sich durch das MoPeG und wo besteht Handlungsbedarf für Gesellschaften?

  • Neues zum Transparenzregister