Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter – Jetzt kommt sie doch

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In unserem Artikel „Update zur Einführung einer Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter" haben wir Sie darüber informiert, dass die vor etwas mehr als einem Monat angekündigte Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter wegen rechtlicher Bedenken einzelner Bundesländer nun wohl doch nicht so schnell kommen wird. Einzelne Finanzminister bzw. Finanzsenatoren hatten nicht nur die Steuerausfälle im Blick, sondern waren auch der Ansicht, dass derart weitreichende Veränderungen nicht mit einem Verwaltungserlass geregelt werden können, sondern ein Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden muss.

Heute nun die Kehrtwende? Zumindest hat sich das Bundesfinanzministerium nicht davon abhalten lassen, heute Mittag einen öffentlich zugänglichen Newsletter mit einem finalen BMF-Schreiben zu dieser Thematik im Umfang von fünf Seiten zu versenden.

Wahlrecht zur Sofortabschreibung durch betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr

Wie durch die vorherigen Ankündigungen zu erwarten war, wird für die nachfolgend beschriebenen Wirtschaftsgüter eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von lediglich einem Jahr festgelegt – damit kommt es praktisch zu einer Sofortabschreibung. Im Vergleich zu einer internen Entwurfsfassung des BMF-Schreibens ist die Anwendung der Nutzungsdauer von einem Jahr nun nicht mehr verpflichtend, sondern als Wahlrecht ausgestaltet. Steuerpflichtige können damit – in Abhängigkeit von der Ergebnissituation – selbst wählen, ob sie die Anschaffungskosten sofort steuermindernd geltend machen möchten oder die Abschreibung über die bislang geltende Nutzungsdauer verteilen.

Finanzverwaltung definiert den Begriff „Computerhardware" nicht neu

Unter den Begriff „Computerhardware" fasst die Finanzverwaltung Computer, Desktop-Computer, Notebook-Computer, Desktop-Thin-Clients, Workstations, Mobile Workstations und Small-Scale-Server. Das BMF-Schreiben enthält auch Definitionen im typischen Beamtendeutsch, was hierunter im Detail zu verstehen ist. Die Finanzverwaltung hat sich diese Definitionen nicht selbst überlegt, sondern übernimmt im Wesentlichen die Beschreibungen aus einer EU-Verordnung zu den Öko-Design-Anforderungen von Computern und Computerservern*. In dieser EU-Verordnung geht es u. a. um die Kennzeichnungspflicht von Herstellern in der technischen Beschreibung von Computern und Computerservern. Da das BMF-Schreiben für Auslegungsfragen in Bezug auf den Begriff „Computerhardware" explizit auf diese EU-Verordnung verweist, sollte es in der Praxis im Regelfall keine Zweifelsfragen geben, ob die Sofortabschreibung auf eine konkrete Anschaffung anwendbar ist oder nicht. Es wird in dem BMF-Schreiben ausdrücklich erwähnt, dass es sich damit um eine abschließende Aufzählung handelt. Steuerpflichtigen wird empfohlen, die offizielle technische Beschreibung des Herstellers (z. B. enthalten in der Bedienungsanleitung), in der wegen der EU-Verordnung die vorgenannten Begriffe enthalten sein müssen, zu den Buchführungsunterlagen zu nehmen.

Über diese sieben beschriebenen Kategorien hinaus fallen unter die Sofortabschreibung auch Dockingstations, externe Netzteile sowie Peripheriegeräte. Für diese Begriffe enthält das BMF-Schreiben ebenfalls entsprechende Definitionen. Hier soll die Aufzählung in der Definition jedoch ausdrücklich nicht abschließend sein, womit es im Einzelfall vermutlich Interpretationsspielraum geben dürfte.

Auch ERP-Software kann sofort abgeschrieben werden

Der Begriff „Software" wird definiert als Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung inkl. der nicht technisch physikalischen Anwendungsprogramme eines Systems zur Datenverarbeitung.

Mit umfasst vom Anwendungsbereich der Sofortabschreibung ist auch ERP-Software, Software für Warenwirtschaftssysteme oder sonstige Anwendungssoftware zur Unternehmensverwaltung oder Prozesssteuerung. Bisher galt für ERP-Software eine Abschreibungsdauer von regelmäßig fünf Jahren. Der Einbezug von ERP-Software bedeutet, dass auch die im Einzelfall sehr hohen Projekt- und Implementierungskosten zukünftig sofort steuermindernd geltend gemachten werden können. Bisher waren diese Kosten im Regelfall als Anschaffungsnebenkosten der Software ebenfalls über fünf Jahre abzuschreiben.

Anwendung der Sofortabschreibung auch für Anschaffungen in Vorjahren möglich

Das Wahlrecht zur Sofortabschreibung kann erstmals in der Gewinnermittlung (bei Bilanzierung und Einnahmen-Überschuss-Rechnung) für Wirtschaftsjahre angewendet werden, die nach dem 31. Dezember 2020 enden. Damit gelten die Regelungen praktisch für alle entsprechenden Anschaffungen im Wirtschaftsjahr 2021 bzw. bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr, welches im Jahr 2021 endet.

Des Weiteren können aber auch Restbuchwerte von entsprechenden Wirtschaftsgütern, die in Vorjahren angeschafft worden sind, im Rahmen der Gewinnermittlung für 2021 komplett abgeschrieben werden. Davon profitieren beispielsweise Unternehmen, die im Frühjahr letzten Jahres zu Beginn der Corona-Pandemie ihre Mitarbeiter für die Arbeit im Homeoffice mit entsprechender Hardware ausgestattet haben.

Auch Privatpersonen profitieren von Sofortabschreibung

Die Regelungen des BMF-Schreibens gelten nicht nur für gewerbliche Einkünfte. Auch Privatpersonen können die Sofortabschreibung in Form eines Werbungskostenabzugs bei ihrer Steuererklärung ab dem Jahr 2021 in Anspruch nehmen. Praktisch dürfte dies Bedeutung haben bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Erforderlich ist jedoch – wie bisher auch schon – ein Zusammenhang der Anschaffung mit diesen Einkünften. Arbeitnehmer, die sich jetzt noch einen Bildschirm oder einen Drucker für das Homeoffice auf eigene Kosten anschaffen, können damit Steuern sparen.

Das BMF-Schreiben enthält keine Beschränkung des Anwendungszeitraums für die Zukunft. Damit gelten die Regelungen auch über das Jahr 2021 hinaus bis es zu einer Änderung oder Aufhebung des BMF-Schreibens kommt.

Unklar ist momentan noch, ob diese Sofortabschreibung auch im handelsrechtlichen Jahresabschluss vorgenommen werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob sich beispielsweise das Institut der Wirtschaftsprüfer offiziell dazu äußern wird.

Ob das Wahlrecht zur Sofortabschreibung für Sie als Unternehmer oder Privatperson sinnvoll sein kann, besprechen wir mit Ihnen gern im Detail.



* (Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 617/2013 der Kommission vom 26. Juni 2013 zur Durchführung der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Computern und Computerservern (ABl. L 175 vom 27.06.2013, S. 13)

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